Was das Publikum im Kosmos in Münchenstein erwartet
Im Oktober eröffnet Primeo Energie ein neues Science- und Erlebniscenter. Wir geben einen exklusiven Einblick.
Schon vor dem Ukraine-Krieg war die Energieversorgung in der Schweiz ein Thema, dass angesichts der drohenden Stromlücke stark an Aufmerksamkeit gewonnen hatte.
Seit Putins Invasion stellt sich die Frage nun aber umso dringlicher: Wie schafft es die Schweiz, ihren Energiebedarf möglichst unabhängig von russischem Gas und Öl sowie anderen Importen aus dem Ausland zu decken? Und überhaupt: Wie meistern wir die Energiewende und erreichen das erklärte Ziel der Klimaneutralität?
Mögliche Antworten auf diese grosse Herausforderung unserer Zeit soll es schon bald im neuen Science- und Erlebniscenter «Kosmos» geben, den das Baselbieter Energieunternehmen Primeo Energie im Oktober am Hauptsitz in Münchenstein eröffnet – pünktlich zum 125-jährigen Firmenjubiläum.
Budget von 7,25 Millionen Franken
Welche Bedeutung dem Vorhaben zufällt, zeigt das hohe Budget: 7,25 Millionen Franken investiert Primeo Energie in die Nachfolge des bisherigen Elektrizitätsmuseums, das noch aus der Ära der Elektra Birseck (EBM) stammt.
«Wir wollen ein moderner Ort der Wissensvermittlung sein, der die Möglichkeit schafft, mehr über die komplexen und wichtigen Themen Klima und Energie zu erfahren», formuliert Kosmos-Leiter Wolfgang Szabó den Anspruch, als er Prime News gemeinsam mit der stellvertretenden Leiterin Corinne Gasser in seinem Büro empfängt.
An den Wänden hängen zahlreiche Planskizzen und Visualisierungen. Man sei im Zeitplan, auch wenn Lieferengpässe die Situation derzeit anspruchsvoll machten, erklärt das Duo.
Wolfgang Szabó (46) ist studierter Geophysiker aus Deutschland und hat unter anderem beim Wissenschafts-Museum «Universum» in Bremen gearbeitet, das jährlich rund 200'000 Eintritte verzeichnet. «In Münchenstein backen wir deutlich kleinere Brötchen, da dürfen keine falschen Erwartungen aufkommen», hält er fest.
Realistisch seien rund 20'000 Besuchende pro Jahr. Der Zugang stehe allen offen – Familien, Senioren, Vereinen und Firmen. Bei den meisten dürfte es sich aber erwartungsgemäss um Schülerinnen und Schüler der Sek I und Sek II im Alter zwischen 11 und 15 Jahren handeln, die im Rahmen einer Exkursion mit der Schulklasse nach Münchenstein kommen.
Dennoch: Auch wenn man sich nicht mit dem Technorama oder dem Verkehrshaus vergleichen könne, wolle man mit dem Kosmos in der Region ein Zeichen setzen, unterstreicht Corinne Gasser (32): «Das Ziel lautet, auf drängende Klimafragen Energieantworten zu liefern», sagt die Ökonomin, welche vor ihrem Engagement bei Primeo Energie für die Beratungsfirma «Energie Zukunft Schweiz» tätig war.
Vieles zum Anfassen und Experimentieren
Einiges ist über das ambitiöse Kosmos-Projekt bereits geschrieben worden. Bei einem Rundgang geben die beiden Verantwortlichen nun aber erstmals einen exklusiven Einblick, was die Besucherinnen und Besucher in den Ausstellungsräumen erwartet.
Konkret erstreckt sich das Science- und Erlebniscenter auf zwei Gebäude. Da ist zum einen der Neubau mit Namen «Faraday», welcher derzeit von den Architekten Rapp erstellt wird und unter anderem als Empfangsbereich konzipiert ist. In diesem Gebäude befinden sich zudem Interaktivstationen zu Klimaphänomenen und Energiethemen sowie Workshop- und Eventräume.
Die Sonne als Ursprung unserer Energie verbinde die beiden Räume im Science-Center, erklärt Corinne Gasser. Weiter hält sie fest, dass im Kosmos auch der Vermittlung von Basiswissen eine Bedeutung zufalle. ;Uns ist aufgefallen, dass häufig keine Vorstellung davon besteht, was zum Beispiel der Begriff Watt bedeutet.»
Bei den verschiedenen Stationen werde viel Gelegenheit zum Anfassen und Experimentieren bestehen. «Die Menschen sollen ein Gespür für Energie und Leistung entwickeln – und auf interaktive Weise erfahren, warum es die Energiewende für den Klimaschutz braucht.
In den Sommermonaten kann auch das mit Solarpanels überdeckte Flachdach genutzt werden – entweder als weiteres Feld für allerlei Versuche oder als mietbare Eventfläche mit Blick auf die Flusslandschaft der Birs.
Mehr Aufwand als angenommen
Der Neubau ist selber Ausdruck einer nachhaltigen Denkweise: Bis zu 70 Prozent der verwendeten Materialien sollen rezyklierbar sein oder aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. Das zeigt sich etwa beim Holzboden im 1. Obergeschoss: Dieser wurde aus dem ehemaligen Clubhaus des Ruderclubs Kaiseraugst gefertigt.
So gut sich dieser «Life-Cycle»-Ansatz anhört, so schwierig ist seine Umsetzung. Der Aufwand sei deutlich grösser als erwartet, sagt Szabó. «Die Kreislaufwirtschaft ist leider noch nicht so weit, wie ich es gerne hätte. Man kann nicht einfach auf einem Markt Recycling-Produkte beschaffen», beschreibt er die Problematik.
Als besonders knifflig habe sich die Wiederverwendung alter Hochspannungsmasten herausgestellt, welche den quadratförmigen Faraday-Bau mit einer Gitterstruktur umhüllen sollen.
«Es mussten zunächst statische Berechnungen durchgeführt werden, um die Tragbarkeit zu berechnen. Dann galt es die alten Masten zu zerlegen und zu inventarisieren. Schliesslich erforderte die Montage am Gebäude enormes Fingerspitzengefühl».
Kapsel einer Windturbine nachgebildet
Während der Faraday-Neubau als Science-Center dient, steht im generalüberholten, ehemaligen Elektrizitätsmuseum ein 45-minütiges Multimedia-Spektakel auf dem Programm. Die mit Ton, Bild und Licht aufwändig gestaltete Themenreise befasst sich mit den Naturelementen und Energielieferanten Sonne, Wasser und Wind.
Nähergebracht werden die verschiedenen Produktionsformen erneuerbarer Energien – die Rede ist etwa von Solaranlagen in Spanien oder von gewaltigen Stauseen in den Bergen – aber auch die Schwierigkeiten und technischen Hürden, die beim Transport und der Speicherung bestehen.
Und dann gibt es auch ungewohnte Einblicke: Dazu gehört die Nachbildung eines Turbinenkopfs an der Spitze eines 170 Meter hohen Windrads. Wie sieht es in einer solchen Kapsel aus? Und was für eine Aussicht bietet sich von dort oben? Wer aus dem Bodenfenster der Kapsel schaut, spürt die schwindelerregende Höhe.
«Innovationen bringen die Energieproduktion voran und Wissen schafft einen bewussten und sinnvollen Umgang mit unserer Energie und auch unserem Klima. Mit dieser positiven Botschaft möchten wir die Menschen auch verabschieden: Dass es grundsätzlich viele Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft gibt», sagt Wolfgang Szabó.
Um diese Aussage zu unterstreichen, endet die Kosmos-Ausstellung im Erlebniscenter in einem Raum, in dem mit speziellem Nebel eine tiefliegende Wolkendecke erzeugt wird. «Wir blicken zum Abschluss der Themenreise auf die Erde hinunter, sehen das Grosse und Ganze. Und wir erkennen die Chancen, die sich uns bieten – wenn wir sie denn nutzen».
Die kostenlose Prime News-App – jetzt herunterladen.
Noch keine Kommentare