15.11.2023 Ratgeber 5 minMinuten Lesedauer

Krankheit: Das darf der Arbeit­geber wissen

Interview mit Daniela Beck, Anwältin und Rechts­beraterin beim Arbeit­geber­verband Region Basel.

von Prime Content

Es ist kälter geworden und die erste Erkältungs- und Grippe­welle hat die Schweiz im Griff – viele Angestellte melden sich krank. Was darf denn der Arbeit­geber wissen? Und darf er nach­fragen, wenn sich jemand krankmeldet?

Daniela Beck:* Wenn sich jemand die Grippe, einen Magen-Darm-Virus oder eine Bronchitis eingefangen hat und sich krankmeldet, wird dem Arbeitgeber die Krankheitsursache und ungefähre Dauer meist ungefragt mitgeteilt. Die Diagnose müsste der Angestellte allerdings nicht preisgeben. Diese Fälle mit den üblichen, kurzen Krankheiten sind in der Praxis aber häufig unproblematisch. Ich gehe davon aus, dass Ihre Frage auf längere und zweifelhafte Abwesenheiten abzielt? 

Genau. Darf sich der Arbeit­geber beim Angestellten oder beim Arzt erkundigen, mit welcher Abwesenheits­dauer zu rechnen ist?

Die Dauer der Abwesenheit respektive das Datum der nächsten Konsultation ist auf dem Arztzeugnis festzuhalten. Meist möchte der Arbeitgeber aber wissen, ob sich die Dauer der Krankschreibung nach Ablauf dieses Datums weiter verlängern wird. Der Arbeitgeber darf beim Arzt nachfragen, wie es mit einer Steigerung der Arbeitsfähigkeit aussieht. Nach unserer Erfahrung geben die Ärzte unter Berufung auf die Schweigepflicht jedoch oft grundsätzlich keine Auskunft. In diesem Fall kann der Arbeitgeber diese Fragen dem Vertrauensarzt stellen. 

Darf der Arbeit­geber dem Arzt oder Vertrauens­arzt zusätzliche Fragen stellen?

Ja, der Arbeitgeber darf etwa beim Arzt nachfragen, ob sich die Arbeitsunfähigkeit auf den Arbeitsplatz bezieht oder ob es sich um eine Neuerkrankung oder um einen Rückfall handelt. Es können auch Fragen zu den Tätigkeiten im Falle einer Teilarbeitsfähigkeit gestellt werden. Ebenfalls zu beachten ist, dass der Arbeitgeber seine Sicht der Dinge schildern und auch auf eventuelle Zweifel oder Ungereimtheiten hinweisen darf. Die Diagnose darf der Arzt aber nicht preisgeben. 

Wenn der Arbeit­geber Zweifel an der Arbeits­unfähig­keit des Angestellten hat, welche Möglich­keiten bieten sich ihm dann?

Es gibt klare Fälle: Wenn der Angestellte beispielsweise aufgrund eines Rückenleidens krankgeschrieben ist, währenddessen aber das Dach seines Hauses renoviert. Wird ein solcher Sachverhalt nachgewiesen, kann der Arbeitgeber die Lohnzahlung einstellen. Auch eine fristlose Kündigung wäre denkbar.

So eindeutig ist die Sache aber wohl nur selten.

Tatsächlich sind die Umstände in der Praxis meistens weniger klar. In diesen Fällen ist immer ein Vertrauensarzt beizuziehen. 

Wer gilt überhaupt als Vertrauens­arzt?

Dabei handelt es sich um einen beliebigen Arzt, der das Vertrauen des Arbeitgebers geniesst und von diesem beratend hinzugezogen wird, um die Arbeitsfähigkeit eines Angestellten abzuklären. Wir empfehlen aber einen Arzt zu beauftragen, der die Zusatzqualifikation «Vertrauensarzt» der FMH (Dachverband der Ärztegesellschaft) vorweisen kann. 

Und was passiert, wenn der Vertrauens­arzt feststellt, dass der Ange­stellte arbeits­fähig ist?

In diesem Fall wird es kompliziert. Bei dieser Konstellation liegen in der Regel zwei sich widersprechende Arztzeugnisse vor. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dasjenige des Vertrauensarztes mehr Gewicht aufweist. Deshalb ist in jedem Einzelfall abzuklären, welchem Arztzeugnis der höhere Beweiswert zukommt.

Wie wird das beurteilt?

Relevant sind verschiedene Punkte. Dazu gehört das Fachwissen des Arztes in Bezug auf das im Raum stehende Leiden, die Tiefe der persönlichen Untersuchung oder auch die Qualität und Aussagekraft des Befundes. Wenn der Angestellte also etwa aufgrund eines Rückenleidens ein Zeugnis von einem Orthopäden eingereicht hat und der Vertrauensarzt keine solche Qualifikation aufweist oder seinen Befund nur auf die Akten stützt, dann ist es nicht empfehlenswert, dem Befund des Vertrauensarztes zu folgen und die Lohnfortzahlung einzustellen.

Wie sieht es aus mit der Lohn­fort­zahlungs­pflicht des Arbeit­gebers? Nehmen wir an, die Kranken­taggeld­versicherung erbringt keine weiteren Leistungen mehr. Kann es dann vorkommen, dass der Arbeit­geber weiter­zahlen muss?

Diese Frage lässt sich nicht einfach und klar beantworten, es kommt jeweils sehr auf die Umstände an. In erster Linie ist relevant, ob tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder nicht und dementsprechend welches ärztliche Zeugnis den höheren Beweiswert aufweist. Wenn demjenigen des Vertrauensarztes gefolgt werden kann, welches eine Arbeitsfähigkeit attestiert, und die Versicherung daraufhin die Leistungen einstellt, kann der Arbeitgeber dieser Entscheidung meistens folgen. Sprich: Es besteht keine weitere Lohnfortzahlungspflicht. Hierbei ist aber auch die Regelung im Arbeitsvertrag oder im Personalreglement relevant. Es sind immer alle Umstände in eine solche Entscheidung einzubeziehen. 

*Daniela Beck ist Anwältin und Rechtsberaterin beim Arbeitgeberverband Region Basel

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