Das sind die Stolpersteine bei den Sozialversicherungen
Komplexes Arbeitsrecht: Welche Regeln bei Unfall und Krankheit gelten. Interview mit Rechtsberaterin Daniela Beck vom Arbeitgeberverband Region Basel.
Hinweis: Am Donnerstag, 8. Februar 2024 von 08:30 -17 Uhr, veranstaltet der Arbeitgeberverband Region Basel ein Fachseminar zum Thema «Stolpersteine bei den Sozialversicherungen». Weitere Informationen
Wenn man mit Arbeitsrecht zu tun hat, kommt man unweigerlich auch mit Sozialversicherungen in Kontakt. Welche Sozialversicherungen sind in der Schweiz obligatorisch?
Daniela Beck:* Die Sozialversicherungsabzüge, die auf der Lohnabrechnung in der Regel an erster Stelle für AHV/IV/EO stehen und in die erste Säule fliessen, sind obligatorisch. Wer in einem Arbeitsverhältnis steht, ist zudem verpflichtet, Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abzuführen.
Wie sind die Regeln bezüglich Pensionskasse?
Beiträge an die berufliche Vorsorge sind erst ab einem Einkommen von mindestens 22'050 Franken pro Jahr obligatorisch. In der beruflichen Vorsorge ist in diesem Jahr eine Reform geplant, die die Einkommensschwelle für die berufliche Vorsorge deutlich senken möchte, so dass Arbeitnehmer früher in der 2. Säule versichert sind. Ab einer Arbeitszeit von mindestens acht Stunden pro Woche sind Angestellte zudem obligatorisch gegen Nichtberufsunfall (NBU) versichert.
In der Regel ist auf der Lohnabrechnung auch ein Abzug für die Krankentaggeldversicherung aufgelistet. Handelt es sich dabei nicht um eine obligatorische Versicherung?
Es ist zwar davon auszugehen, dass über 95 Prozent der Arbeitgeber für Ihre Angestellten eine Krankentaggeld-Versicherung abgeschlossen haben, ein Obligatorium besteht im schweizerischen Arbeitsrecht aber nicht. Dementsprechend kann es sich lohnen, diesen Punkt vor einem Stellenantritt genau zu prüfen, denn durch eine Krankentaggeld-Versicherung sind Angestellte im Krankheitsfall länger abgesichert als mit der gesetzlichen Lösung.
Was sind denn die Leistungen der Krankentaggeldversicherung und in welcher Höhe können die Angestellten an den Prämien beteiligt werden?
Der Arbeitgeber kann für den Fall der unverschuldeten Arbeitsverhinderung, das heisst in erster Linie bei Krankheit, eine vom Gesetz abweichende Regelung treffen, wenn diese mindestens gleichwertig wie die gesetzliche ist. Das Bundesgericht hat festgelegt, wann diese Gleichwertigkeit gegeben ist. Neben Taggeldleistungen während mindestens 720 Tagen – also fast zwei Jahren – und einer Deckung von mindestens 80 Prozent des Lohnes, muss der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Prämien tragen. Mit anderen Worten kann den Angestellten maximal die Hälfte der Prämien der Krankentaggeld-Versicherung vom Lohn abgezogen werden.
Welche Praxis wird in aller Regel angewendet?
Nicht wenige Arbeitgeber übernehmen die vollen Prämien – nicht immer ist den Angestellten dieses «Geschenk» bewusst. Ebenso wenig sind sich die Angestellten bewusst, dass die Leistungen der vom Arbeitgeber abgeschlossenen Krankentaggeld-Versicherung um einiges höher sind als die üblichen gesetzlichen Lohnfortzahlungspflichten.
Besteht arbeitsrechtlich ein Unterschied, ob ein Angestellter aufgrund eines Unfalls oder aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig ist?
Ja, es ist sehr entscheidend, ob eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Unfalles oder einer Krankheit vorliegt. Bei Unfall ist man als Angestellter in der Regel besser abgesichert. Nehmen wir als Beispiel einen Unfall, der in der Freizeit beim Sporttreiben passiert – also einem Nichtbetriebsunfall. Gehen wir weiter davon aus, dass die Beschäftigung der verunfallten Person mehr als acht Stunden pro Woche beträgt. Dann ist es so, dass die Unfallversicherung ab dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit 80 Prozent des versicherten Verdienstes deckt.
Sind die Leistungen zeitlich begrenzt?
Nein, eine Maximaldauer der Taggeldleistungen besteht bei der Unfallversicherung nicht – dies im Unterschied zur Krankentaggeld-Versicherung, die mindestens 720 Taggelder leistet. Das heisst, es werden in der Unfallversicherung so lange Leistungen erbracht, wie die Arbeitsunfähigkeit auf den Unfall zurückzuführen ist oder eine IV-Rente zugesprochen wird.
Gibt es noch weitere Unterschiede?
Ja, vor allem in Bezug auf die Heilungskosten ist man bei einem Unfall sehr viel besser abgesichert als bei einer Krankheit. Erleidet ein Angestellter einen Unfall, werden die Heilungskosten – ohne Selbstbehalt – durch die Unfallversicherung gedeckt. Viele Arbeitgeber haben für die Angestellten sogar noch Zusatzversicherungen abgeschlossen, wodurch diese im Falle eines Spitalaufenthalts beispielsweise in der ersten Klasse versichert sind. Bei Krankheit übernimmt die Krankenkasse den grossen Teil der Heilungskosten erst, wenn die Franchise erreicht ist.
Demnach sollte eine Arbeitsunfähigkeit, wenn immer möglich als Unfall und nicht als Krankheit bezeichnet werden?
Schön, wenn es so einfach wäre, aber das Unfallversicherungs-Gesetz definiert klar, was als Unfall gilt. Es muss eine plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den Körper vorliegen (Art. 4 ATSG). Zudem haben die Unfallversicherungen klare Listen, welche Körperschädigungen als Unfall gelten und welche nicht. Der Arzt kann deshalb zum Beispiel abnutzungsbedingte Knieschmerzen nicht einfach als Unfall bezeichnen.
*Daniela Beck ist Anwältin und Rechtsberaterin beim Arbeitgeberverband Region Basel.
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