Ein Gerät soll messen, ob im Büro oft genug gelacht wird
Baloise hat einen Lachdetektor lanciert. Getestet wird der «Chief LOL Officer» in einem KMU mit zehn Angestellten.
Jede halbe Stunde soll gelacht werden. So will es das kleine Gerät, welches vier Wochen lang im Büro des Appenzeller Online-Firmengründungsportals Fasoon deponiert wird. Gestartet hat das Experiment das Versicherungsunternehmen Baloise, um im Rahmen des World Mental Health Days auf die Wichtigkeit der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz hinzuweisen.
Der sogenannte Chief LOL Officer, wie der Lachdetektor heisst – sein Name ist angelehnt an den gängigen Ausdruck «laughing out loud» und die dafür verwendete Abkürzung «LOL» – gleicht den kleinen Geräten, die in manchen Sitzungszimmern zu finden sind und dort die Lufthygiene messen. Allerdings kümmert er sich nicht um die Luft, sondern um die Lachmuskeln. Denn er misst, wie häufig im Büro gelacht wird.
Ist der Balken rot, wird lustiger Content verschickt
Jede halbe Stunde evaluiert er aufs Neue, ob in den vergangenen 30 Minuten gelacht wurde. Danach bewertet er die Stimmung im Büro mit einem Ampelsystem. Wenn nach zwei Stunden der Pegel zu oft auf Rot war, sendet der «Chief LOL Officer» lustigen Social-Media-Content an die Mailadresse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Katzenvideos, Memes, Reels – «das Beste, was das Internet zu bieten hat», preist die Baloise die Inhalte an, die die Angestellten anschliessend zum Lachen bringen sollen. Denn ein erster Schritt zu mehr Wohlbefinden am Arbeitsplatz sei das Lachen.
Die Schweiz ist mental erschöpft
Erstmals seit 2014 geben über 30 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz an, mental ziemlich bis sehr erschöpft zu sein. Dies geht aus mehreren repräsentativen Studien und Befragungen hervor. Fällt eine erwerbstätige Person aufgrund einer psychischen Erkrankung aus, fehlt sie dem Betrieb im Durchschnitt sieben Monate.
Ausfälle führen einerseits zu Mehrbelastung der Kolleginnen und Kollegen und andererseits zu Mehrkosten für die Unternehmen. Erhebungen zeigen, dass Schweizer Unternehmen pro Jahr 6,5 Milliarden Franken verlieren, weil die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden «angeschlagen» ist, wie es die Baloise formuliert.
Pandemie, Sensibilisierung und Social Media als Hauptgründe
Die Gründe für die mentale Erschöpfung der Schweiz sind vielfältig. «Einerseits wissen wir noch nicht abschliessend, wie sich die Corona-Pandemie auf das psychische Wohlbefinden ausgewirkt hat. Hinzu kommt sicher, dass die Gesellschaft heute stärker auf Themen wie die mentale Gesundheit sensibilisiert ist, weshalb es zu höheren Fallzahlen kommt», sagt Brian Cardini, Psychologe an der Universität Basel mit Forschungsschwerpunkt Erschöpfungs- und Erholungsprozesse, im Gespräch mit Prime News.
Zudem schwanke bei Menschen vermehrt der Selbstwert durch den intensiven Konsum von Social Media und dem damit verbundenen ständigen Vergleichen mit anderen Personen und ihren Leistungen. «So entsteht ein höherer Leistungsdruck der sich auch in der Arbeitswelt zeigen kann und man weiss nicht mehr, wann man Stopp sagen müsste.»
Stellenwert der Arbeitgeber
Spricht man über mentale Gesundheit am Arbeitsplatz, kann man den Stellenwert der Arbeitgeber nicht ausklammern. Denn in Geschäftsführungen sollten die nötigen Anreize entstehen, die dafür sorgen, dass sich Angestellte wohler fühlen.
Immer wieder Thema ist beispielsweise das betriebliche Gesundheitsmanagement, welches dafür da ist, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Anlauf- und Begleitstelle zu funktionieren. Ein wichtiges Werkzeug, welches aber hauptsächlich bei Grossfirmen umsetzbar ist.
Doch was können KMUs tun? «Auch kleinere Unternehmen können versuchen, ihren Angestellten eine gute Work Life Balance zu ermöglichen», so Cardini. Auch sollte – wenn möglich – Home Office ein Thema sein. Nicht zu unterschätzen sei zudem die Schulung von Führungskräften: «Je mehr sich Führungskräfte selber zugestehen können, dass sie krank werden und an ihre Grenzen kommen können, desto besser», ergänzt Cardini. Denn nur dann werde ein vernünftiger Umgang mit der eigenen Gesundheit vorgelebt.
Wie soll denn ein kleines Gerät – dieser kleine Lachdetektor namens Chief LOL Officer – einen langfristigen Einfluss auf die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz haben können?
Für Brian Cardini handelt es sich um einen guten Startschuss, um herauszufinden, inwiefern die Belastung am Arbeitsplatz mit dem Thema Lachen und Humor zusammenhängen könnte. «Ich finde es gut, dass es sich um ein recht niederschwelliges Verfahren handelt. Sollte herauskommen, dass das Experiment etwas gebracht hat, wäre es aus wissenschaftlicher Sicht sicher lohnenswert, das Ganze etwas genauer zu untersuchen.»
Lachen mildert Stress
Walter Regli, Mitgründer von Fasoon, also der Appenzeller Firma, in welcher das «Lach-Experiment» durchgeführt wird, interessiert sich in erster Linie dafür, ob sich das persönliche Wohlbefinden seiner Mitarbeitenden im Rahmen dieses Experiments verbessern kann.
«In zweiter Linie interessiert mich, ob der «Chief LOL Officer» das Arbeitsverhalten und das Teamgefüge beeinflusst», ergänzt er gegenüber Prime News. Zudem biete das Gerät die «perfekte Basis», um mit den Mitarbeitern über das Thema psychisches Wohlbefinden bei der Arbeit sprechen zu können.
Dass eine künstliche Intelligenz das Wohlbefinden von Menschen überwacht, bringt aber auch ethische und rechtliche Fragen mit sich. Schon nur für eine Tonaufnahme im Arbeitsgebäude braucht es das Einverständnis aller Beteiligten.
Baloise betont aber, dass der «Chief LOL Officer» keine Gespräche aufnimmt, sondern eine KI innert Millisekunden einordnet, ob ein akustisches Muster ein Lacher oder eben kein Lacher war. Bei «Fasoon» haben alle ihr Einverständnis abgegeben, wie Regli bestätigt. Das Team freue sich auf das Experiment.
Fehlt der menschliche Aspekt?
Ein weiterer Punkt, der durchaus kritisch beäugt werden kann, ist die Tatsache, dass Lachen ja nicht immer ein Anzeichen dafür ist, dass es jemandem wirklich gut geht. Wer am meisten lacht, muss nicht immer der Glücklichste sein.
Fehlt hier also nicht der menschliche Aspekt, die sensible Seite, die es braucht, um eben herauszuspülen, wie es jemandem wirklich geht? «Das ist ein Punkt, den das Gerät nicht abdeckt. Wenn ich also einfach mitlache, wird das als normales Lachen gewertet», bestätigt Cardini den Gedanken.
Idealerweise werde im Anschluss an das Experiment aber eine Befragung durchgeführt, um genauer herauszuspüren, wie es den Beteiligten dabei ergangen ist. Zudem sei nur schon das Abfangen der eigentlichen Stimmung an einem Arbeitsplatz eine sinnvolle Sache, auch wenn vielleicht nicht jeder Lacher auch wirklich herzhaft war.
Festanstellung möglich
Der «Chief LOL Officer» wird bestimmt kein Allheilmittel sein. Er wird aber die Grundstimmung innerhalb des Büros abbilden und vielleicht für mehr Lacher sorgen können.
Zudem entstehe durch gemeinsames Lachen eine positive Gruppendynamik, die auch langfristig anhalten kann, so Cardini. Es könnte zudem hilfreich sein, dem Experiment von Beginn weg mit etwas Humor zu begegnen: «Es hilft sicher, mit einer gewissen Leichtigkeit auf das Experiment zuzugehen.»
Wie es nach der vierwöchigen Testphase des «Chief LOL Officers» weitergeht, ist noch nicht klar, Sollte das Gerät mit der grossen Smiley-Anzeige die Probezeit bestehen, hätte Walter Regli bereits eine Idee parat: «Dann würde ich mich freuen, wenn wir ihm eine Festanstellung bei ‹Fasoon› anbieten könnten.»
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