«Das Klima wartet nicht!» – «Die Menschen mitnehmen!»
Wahlkampf-Podium: Zwischen der Grünliberalen Esther Keller und der Grünen Anina Ineichen öffneten sich tiefe Gräben.
So lief die Debatte
Spannende Ausgangslage: Bei den Wahlen am 20. Oktober erreichte bekanntlich die amtierende Bau- und Verkehrsdirektorin Esther Keller (GLP) das absolute Mehr nicht. Im zweiten Wahlgang am 24. November trifft sie auf die grüne Konkurrentin Anina Ineichen, die im ersten 3'500 Stimmen hinter Keller lag.
Seither gab es viel Bewegung. Das linksgrüne Spektrum witterte Morgenluft und hat sich ganz hinter die grüne Herausforderin geschart. Ausser der Mitte-Partei unterstützt demgegenüber keine bürgerliche Partei offiziell Keller.
Dafür stellten sich diese Woche die grössten Wirtschaftsverbände und eine grosse Liste von bürgerlichen und auch gemässigten SP-Politikern hinter die viel kritisierte Grünliberale – auch, um die Wahl der radikaleren Grünen Ineichen zu verhindern.
Es ging um das unterschiedliche Profil
Soviel muss man wissen, um den Podiumsabend von Prime News am Freitag im Parterre Rialto zu verstehen. Nicht nur die auf das Konkrete gerichtete Moderation von Christian Keller legte es auf die politischen Unterschiede zwischen den beiden «Grünen» an, sondern auch die beiden Politikerinnen selbst.
Dabei artikulierten sie sich in hohem Sprech-Tempo, mit viel Hintergrundverweisen und kleinen Spitzen – und enthüllten dabei im Verlauf des Abends zunehmend ihre hohe Anspannung.
Schon bei den Aufwärm-Fragen zeigte sich: Esther Keller würde für eine London-Reise statt der Bahn durchaus das Flugzeug nehmen. Anina Ineichen antwortete dagegen auf die Frage «Gaskraftwerke oder AKW’s», sie sei eben in die Politik gegangen, um ein solches Dilemma zu verhindern.
Anders ausgedrückt: Keller macht Realpolitik aus der konkreten Situation, Ineichen hingegen stellt alles in Frage (auch die Kritik am Wohnschutz, dass er Investitionen und Sanierungen verhindere) und will die (Basler) Welt nach ihren Vorstellungen umbauen.
«Das Klima wartet nicht» war ihr Kernsatz am Abend, derjenige von Keller: «Man muss in der Klimapolitik die Menschen mitnehmen». In der Realität sei man mit Einsprachen und anderen politischen Meinungen herausgefordert.
Für Ineichen scheint das an der Urne beschlossene Netto-Null-Ziel 2037 Befehl zu sein, der ohne Rücksicht auf Verluste auszuführen ist. Und somit auch der Freipass für eine rigide Politik.
Ineichen wünscht sich eine Wohnstrassenstadt
Das Prinzip zog sich durch fast alle Themenbereiche, ob Rheintunnel, Zubringer Bachgraben, Parkkarten-Preise und Parkplatzabbau. Ineichen liess sich von den Ansprüchen nach weniger Stau (Rheintunnel) und besserer Erschliessung (Bachgraben) nicht beirren und wiederholte ihre Rezepte: Mehr Velo, mehr ÖV, mehr Tempo 30, das Auto zurückdrängen und wenn es «zielführend» sei: Parkplätze stärker und schneller abbauen als jetzt und noch teurere Parkkarten.
Keller dagegen verteidigte die Strassenprojekte, auch im Hinblick auf unterschiedliche Mobilitätsformen: Das Velo oder der ÖV könnten nun mal nicht alle Ansprüche abdecken. Man sei diesbezüglich mehrgleisig unterwegs. Sie gab auch durch, dass man nicht beliebig Parkplätze abbaue, sondern jeden Strassenzug einzeln analysiere. Die neuen Parkkarten-Preise nach Fahrzeuggrösse sehe sie im Sinne des Verursacherprinzips als «liberal» an.
Ineichen jedoch wünscht sich möglichst rasch eine autofreie Güterstrasse. Die Lärm- und Klimabelastung seien unerträglich. Überhaupt sei die ganze Lebenswelt in den Städten viel zu sehr nach den Ansprüchen der Mobilität, insbesondere des Autoverkehrs ausgerichtet. Sie wünsche sich eine «stärkere Güterabwägung in Richtung Menschen», also so etwas wie eine Wohnstrassenstadt.
Keller befürwortet autofreie Güterstrasse: In 30 Jahren
Eine autofreie Güterstrasse strebt offenbar auch Esther Keller an: «Aber erst etwa in 30 Jahren, wenn der Bahnausbau genügend weit ist». Und deshalb sei sie auch klar gegen die Stadtklima-Initiative gewesen, die etwa auch zur Folge gehabt hätte, dass «funktionierende Strassen» aufgerissen würden – ein Hieb gegen ihre Kontrahentin, die viel schnellere und radikalere Massnahmen fordert.
Die Diskussion war stark auf die Prämisse ausgerichtet, dass es am 24. November um die Führung des Bau- und Verkehrsdepartements gehe. Im allgemeineren Teil betonte Keller, dass eine Konstellation von drei Bürgerlichen, drei Linken und ihr als Mitte dazwischen eine sachlichere Diskussion ermöglichte und auch erfordere. Die Bevölkerung wolle «Kontinuität».
Ineichen machte klar, dass es ihr, auch mit ihrer «sozialen Stimme», aus inhaltlichen Gründen um «Veränderung» gehe.

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