Urteil um 11 Uhr: Wie geht es weiter mit Raphael M.?
Nach dem Doppelmord von 2014 tötete der 33-Jährige 2024 am Nasenweg erneut. Wird er nun verwahrt? Das Urteil im Ticker.
11.51 Uhr: Urteilsbegründung ist beendet
Die Sicherheitshaft wurde provisorisch um sechs Monate verlängert, erklärt Kiener. Er verbleibe vorerst weiterhin in der Klinik Rheinau. Der Straf- und Massnahmenvollzug Basel-Stadt sei bei Rechtskräftigkeit des Urteils dafür verantwortlich, die passende Unterbringung für den 33-Jährigen zu finden.
Raphael M. und sein Vertreter haben nun zehn Tage Zeit, um Berufung anzumelden und den Fall ans Appellationsgericht weiterzuziehen. «Ich bitte Sie, das jetzt wirklich gut mit Ihrem Anwalt anzuschauen», so Kiener.
Raphael M. fragt nach, ob er nun in eine geschlossene Massnahme ohne Ausgänge komme. Kiener antwortet: «Sie müssen damit rechnen, dass Sie in den nächsten Jahren keine Ausgänge haben werden.»
«Ich wünsche Ihnen alles Gute. Versuchen Sie, sich zu öffnen, das ist Ihre einzige Chance, wieder am Leben teilzunehmen», gibt Kiener Raphael M. mit auf den Weg.
Die Urteilsbegründung ist beendet. An dieser Stelle folgt am Nachmittag eine Zusammenfassung.
11.49 Uhr: Beschlagnahmtes Bargeld an Opferfamilie
Das beschlagnahmte Bargeld, die 2'300 Franken, werde der Opferfamilie zukommen. Die Genugtuungsforderung werde abgewiesen. Die Voraussetzungen dafür seien zwar erfüllt, Raphael M. sei aber schuldunfähig und deshalb nicht haftpflichtig.
Kiener verweist die Opferfamilie an die Opferhilfe und verweist auf die Möglichkeiten, die diesbezüglich existieren.
11.45 Uhr: Raphael M. sei wie «Patient in einem Spital»
«Für uns ist klar: Wir haben einen Wiederholungstäter, der aktuell therapieresistent ist», so Kiener. In den kommenden fünf Jahren könne Raphael M. aber nicht an die Gesellschaft herangeführt werden. Deshalb sei die Verwahrung die einzige richtige Option.
Raphael M. müsse behandelt und in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht werden. Eine Elektrokrampftherapie sollte dabei ausprobiert werden, so Kiener.
Der 33-Jährige sei wie ein Patient in einem Spital. «Es muss alles dafür getan werden, dass es Ihnen besser gehen kann.» Auch eine Verwahrung könne wieder in eine stationäre Massnahme umgewandelt werden.
Es werde sich in den kommenden Jahren zeigen, wie sich das entwickle, so Kiener.
11.35 Uhr: «Das ist der einzige Strohhalm»
Die sehr hohe Rückfallgefahr sei unbestritten, so Kiener. Solange der Deliktmechanismus nicht ergründet werden könne, verändere sich dies auch nicht. Bei einer stationären Massnahme müsste es realistisch sein, dass sich die Legalprognose innert fünf Jahren deutlich verbessere.
Die medikamentöse Behandlung sei ausgeschöpft. Die Tat habe Raphael M. zudem mit einem wirksamen Medikamentenspiegel begangen. «Das macht diesen Fall so ausserordentlich tragisch», so Kiener. M.'s Wahnsystem habe dadurch anscheinend nicht «zur Seite geschoben werden» können.
Eine Elektrokrampftherapie wäre noch eine Variante, die man ausprobieren könnte, wie auch der Gutachter betont hatte. «Das ist der einzige Strohhalm, der sich hier noch ergibt», sagt Kiener. 2014 sei er Ersttäter gewesen – «und 22 Jahre alt, also sehr jung».
Heute sei die Situation anders. Er sei behandelt gewesen, habe keine Drogen genommen. Er sei jetzt älter. «Für uns heisst das: Wenn es nochmals eine Therapie geben sollte, müsste das eine sein, die wirklich 'verhebt'», so Kiener. Bei der Elektrokrampftherapie sei es so, dass die Erfolgsaussicht relativ «vage» sei.
11.32 Uhr: «Er wird jetzt nicht einfach in den Kerker gesperrt»
Das Ziel einer stationären Massnahme sei, jemanden Schritt für Schritt wieder herauslassen und an die Gesellschaft heranführen zu können. Eine solche Massnahme könne nicht 15-20 Jahren geschlossen sein, da die Therapie ja auch ausprobiert werden müsse.
Bei einer Verwahrung stehe dieser Ansatz nicht im Vordergrund. Der Hauptunterschied sei, dass eine Verwahrung nicht immer nach fünf Jahren neu analysiert werden müsse. Sie laufe einfach und werde natürlich dennoch regelmässig überprüft.
«Raphael M. wird jetzt nicht in den Kerker gesperrt und der Schlüssel wird irgendvo versenkt», so Kiener. Es werde an ihm weitergearbeitet.
Ob es Ausgänge, Freigänge oder Arbeitsexternate geben werde, seien Dinge, die der Massnahmenverzug nach Gesetz anschauen müsse.
11.28 Uhr: Schuldunfähig, aber verantwortlich
Der Umstand, dass die Tat geplant worden sei und Raphael M. nach der Tat geflüchtet sei, spreche nicht gegen eine Wahntat. «Das kann auch ein wahnhafter Täter tun, das hat der Gutachter bestätigt», erklärt Kiener.
«Man kann Raphael M. den Mord strafrechtlich nicht vorwerfen, da er nicht schuldfähig ist.» Aber: «Verantwortlich dafür ist im Endeffekt Raphael M.»
Die lebenslängliche Verwahrung, die es seit ein paar Jahren gebe, habe nicht zur Diskussion bestanden. Diese bedinge eine «absolute Unbehandelbarkeit bis zum Ende des Lebens». Ein Artikel, der sehr schwierig anzuwenden sei, besonders bei noch relativ jungen Tätern.
Klar sei, dass die Verwahrung in einer Klinik durchgeführt werden müsse. Eine Strafvollzugsanstalt sei für Raphael M. keine Option. «Er braucht Behandlung, das haben wir klar gehört», so Kiener. Das werde auch in der Verwahrung so sein.
11.23 Uhr: Im Shoppingcenter nicht aggressiv aufgefallen
Die Kleidung, die er bei der Tat getragen habe, sei «blutgetränkt» gewesen, so Kiener. Die befragten Verkäuferinnen im Shoppingcenter St. Jakob-Park hätten ausgesagt, dass Raphael M. nicht aggressiv aufgefallen sei. Das sei bemerkenswert, da er 2014 ja auf der Flucht noch eine Tat begangen habe.
Beim Dreispitz habe er mit einer Kioskverkäuferin gesprochen. Bei der Festnahme habe er relativ viel Bargeld auf sich getragen, das er in den Stunden zuvor bezogen habe. Im Kleinbasel habe er in einem Bordell übernachtet, sei dann beobachtet worden und schliesslich am 9. August um 14.30 Uhr am Unteren Rheinweg festgenommen worden.
Rechtlich gesehen sei es klar ein «direktes Vorsatzdelikt». Die objektiven Kriterien des Mordes seien «ohnehin erfüllt», erklärt Kiener. Subjektiv gesehen könne man aber sagen, dass Raphael M. eigentlich wisse, dass man niemand töten dürfe. «Es gibt keinen Grund, die Tat nicht als Mord einzustufen», so Kiener.
11.19 Uhr: Die bewiesene Tat
Kiener müsse nun erzählen, was in diesem Treppenhaus passiert sei. Denn es sei eben die Tat, die im Vordergrund stehe. Raphael M. habe im Treppenhaus sofort im Bereich des Halses, Gesichts und des oberen Brustbereichs mit dem zuvor organisierten Messer zugestochen.
Der Tod sei sofort eingetreten. Von der Nachbarin wisse man, dass das Opfer mit dem Rücken zur Wand gestanden sei und «keine Chance gehabt» habe. Abwehrverletzungen zeigten, dass sie versucht habe, sich zu schützen.
Die Tat sei nicht nur von Raphael M. gestanden, sondern auch objektiv durch zahlreiche Beweise bewiesen. Unter den Fingernägeln von Raphael M. sei Blut gefunden worden, seine Kleider habe man – wie bereits bekannt – beim St. Jakob-Park gefunden.
Bei Geständnissen von psychisch kranker Personen müsse man immer aufpassen. «Die Tat ist aber klar nachgewiesen in diesem Fall», so Kiener.
11.13 Uhr: «Wir wissen nicht, was den Trigger auslöst»
«Wir sind überzeugt, dass das Delikt nicht so passiert wäre, wenn der Vater in der Wohnung vor Ort gewesen wäre», sagt Kiener und beschreibt weiter, wie Raphael M. ein grosses Fleischermesser genommen habe und sich damit ins Treppenhaus begeben habe.
13.28 Uhr sei er an der Breite angekommen. Der Notruf der Nachbarin sei schliesslich um 13.46 Uhr abgegeben worden. Raphael M. wird also 10-15 Minuten im Treppenhaus gewartet haben. Über das Motiv könne man diskutieren. «Wir wissen es schlicht und einfach nicht, weil Sie sich nicht öffnen», so Kiener an Raphael M. gerichtet.
«Egal, weshalb das Opfer sterben musste, Raphael M. hat im Wahn gehandelt. Im Wahn ist man fähig, wechselhaft und abrupt Zusammenhänge zu konstruieren und diese als real darzulegen und zu empfinden.» Ob der Nachbraschaftsstreit eine Neben- oder Hauptrolle gespielt habe, wisse man nicht.
Was schwer fassbar sei an dieser Tat, sei die Tatsache, dass Raphael M. über Jahre hinweg nicht aggressiv aufgefallen sei. Auch nicht bei der Arbeit in der Küche oder in der Klinik. «Wenn ein Nachbarschaftsstreit zu solch einer Tat führen kann, wäre doch zu erwarten, dass in den ganzen Jahren irgendwann einmal aggressives Verhalten aufgefallen sein müsste.»
Es sei deshalb wohl «eher unwahrscheinlich», dass der Nachbarschaftsstreit das Hauptmotiv gewesen sei. «Irgendetwas in dieser Liegenschaft muss Raphael M. aber triggern», so Kiener. «So lange wir nicht wissen, was es ist was den Trigger auslöst, wird es auch schwierig, ihn zu therapieren.»
11.09 Uhr: «Er ist nicht wie die anderen Patienten»
Man habe Raphael M. so behandelt, wie andere Patienten mit dem selben Erkrankungsbild. Raphael M. sei aber nicht wie die anderen. Das habe man aber nicht wissen können, betont Kiener.
In all den Jahren, in welchen er in der Küche gearbeitet und mit Messern hantiert habe, sei nichts passiert. Über Jahre hinweg habe er angeben müssen, wohin er bei seinen Freigängen gehe. Dass die Rückkehr an den Tatort ein Problem darstellen könnte, habe man nicht realisiert.
Dass er sich an diesem Tag eigentlich mit seinem besten Freund habe treffen wollen, diesem aber abgesagt habe, sei «trickreich und hinterhältig», denn Raphael M. habe ihm am Abend zuvor abgesagt. Was er stattdessen vorgehabt hatte, konnte sein bester Freund nicht wissen.
Wie lange Raphael M. den Mordplan gehegt habe, könne man nicht sagen. «Dass Sie diesen zehn Jahre lang gehegt haben, glauben wir Ihnen nicht», ergänzt Kiener. Aufgrund der Zielstrebigkeit, die er an den Tag gelegt habe, sei dem Gericht aber klar, dass es eine geplante Tat gewesen sei.
11.07 Uhr: Kiener begründet das Urteil
Das Problem sei, dass man jetzt Dinge wisse, die vorher unbekannt gewesen seien, so Gerichtspräsident Dominik Kiener. Anschliessend zählt er alle möglichen Dinge auf, die in den vergangenen Jahren hätten getan werden können.
Dem Massnahmenvollzug könne man keine Vorwürfe machen, gleiches gelte für die behandelnden Ärzte der UPK, denn das, was man heute über Raphael M. wisse, hätten sie nicht gewusst.
Es sei sehr viel über die Krankheit und das allfällige Behördenversagen gesprochen worden, so Kiener. «Heute geht es um den Sachverhalt und die Kernfrage, was ist passiert, wer war es und was passiert mit der verantwortlichen Person», so Kiener. «Und das sind Sie, Herr M.»
11.02 Uhr: Raphael M. wird verwahrt
Raphael M. wird von Polizisten begleitet in den Saal geführt. Er trägt heute einen grünen Pulli.
Das Urteil lautet: Raphael M. wird verwahrt.
10.50 Uhr: Das Warten vor dem Gerichtssaal
Auch heute sind zahlreiche Medienschaffende und Besucherinnen und Besucher anwesend. Auch die Mutter von Raphael M. ist vor Ort. Sie hat dem Prozess schon am Mittwoch beigewohnt.
Wird Raphael M. verwahrt?
Nach dem grossen Medien- und Besucherandrang vom vergangenen Mittwoch werden wohl auch am Freitag zur Urteilsverkündung im Nasenweg-Mordprozess beide Gerichtssäle gut gefüllt sein. Das Fünfergericht um Gerichtspräsident Dominik Kiener hat sich am Mittwochnachmittag in die Beratung zurückgezogen und wird heute sein Urteil verkünden.
Ob Raphael M.*, der im August 2024 eine 75-jährige Frau getötet hat – sein Geständnis liegt vor – und 2014 bereits einen Doppelmord begangen hatte, verwahrt wird, oder erneut in eine stationäre Massnahme überführt wird, erfahren die Anwesenden um 11 Uhr, wenn das Urteil verlesen wird. Prime News berichtet dann wieder live aus dem Gerichtssaal.
Den Prozesstag können Sie hier in der Zusammenfassung nachlesen. Einschätzungen im Vorfeld des Urteils und Eindrücke aus dem Gerichtssaal können Sie in unserem Podcast nachhören.
*Name der Redaktion bekannt
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