Nach umstrittenem Urteil: Appellationsgericht nimmt Stellung
Gerichtspräsident Christian Hoenen will «zahlreichen Missverständnissen» entgegentreten.
Nach heftiger und anhaltender Kritik an einem Urteil, welches das Basler Appellationsgericht im Zusammenhang mit dem Vergewaltigungsfall an der Elsässerstrasse vom Februar 2020 gefällt hat (Prime News berichtete), wenden sich die Gerichtsverantwortlichen nun ihrerseits mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit. Es handelt sich um einen Vorgang, der höchst selten vorkommt.
Wie der Vorsitzende der Abteilung Strafrecht und Präsident des Appellationsgerichts, Christian Hoenen, in seiner Stellungnahme festhält, seien in der Öffentlichkeit «offenbar zahlreiche Missverständnisse» entstanden, denen das Gericht entgegentreten wolle. Es gehe dabei aber nicht darum, das konkrete Urteil zu kommentieren.
In einer Auflistung führt Hoenen aus, dass das Urteil von einem Dreiergericht und nicht alleine von der Gerichtspräsidentin gefällt worden sei, die dem Spruchkörper vorsitze. Der Schuldspruch des Strafgerichts wegen Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung und sexueller Nötigung zum Nachteil des gleichen Opfers sei zudem vom Appellationsgericht bestätigt worden.
Täter sass 18 Monate in U-Haft
Zur Frage der umstrittenen Strafmilderung von 51 Monate auf 36 Monate und dem Umstand, dass der Täter bereits in wenigen Tagen aus der Haft entlassen wird, verweist Hoenen darauf, dass der Mann bereits 18 Monate in Untersuchungshaft abgesessen habe, was «zwingend» an die unbedingte Freiheitsstrafe anzurechnen sei.
Weiter schreibt Hoenen: «Bei Freiheitsstrafen über 2 bis zu 3 Jahren ist zwingend der teilbedingte Vollzug zu gewähren, sofern nicht aufgrund einschlägiger Vorstrafen oder sonstiger konkreter Umstände eine schlechte Rückfallprognose gestellt werden muss.»
Der unbedingte Anteil dürfe von Gesetzes wegen nicht länger sein als der bedingte, auf Bewährung verhängte Anteil. «Der im konkreten Fall ausgefällte unbedingte Strafanteil von 18 Monaten entspricht somit dem gesetzlich möglichen Maximum».
«Es geht nicht darum, Opfer zu disqualifizieren»
In der Stellungnahme beschreibt Hoenen die Grundsätze, wie die Richterinnen und Richter ihre Urteile fällen. Das Gesetz sehe für jeden Straftatbestand einen «Strafrahmen» vor. Innerhalb dieses Strafrahmens sei die Strafe «nach dem konkreten Verschulden des Täters» festzusetzen.
Zu berücksichtigen seien dabei die Schwere der Verletzung, die Verwerflichkeit des Handelns, die Beweggründe und Ziele des Täters und wie weit der Täter in der Lage war, die Verletzung zu vermeiden. Ferner müssten das Vorleben des Täters, dessen persönliche Verhältnisse und die Auswirkungen der Strafe auf sein Leben berücksichtigt werden.
«Bemisst das Gericht die Strafe, so hat es jeweils die konkreten Tatumstände, die konkrete Situation des Täters, seinen konkreten Tatbeitrag und die konkreten Auswirkungen auf das Opfer zu berücksichtigen. Wenn dabei geprüft wird, wie der Beschuldigte die Situation interpretiert hat, geht es lediglich darum, das Verschulden des Täters zu bemessen und nicht darum, das Opfer zu disqualifizieren», betont Hoenen.
Das Gericht habe zudem vergleichbare entschiedene Fälle zu berücksichtigen und müsse eine Strafe nach «den Grundsätzen der Rechtsgleichheit» aussprechen. (red.)
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