27.03.2025 Fürobebier 54 minMinuten Lesedauer

«Wir kön­nen von den To­ten für die Le­ben­den lernen»

Kathrin Gerlach ist Rechtsmedizinerin. Im Fürobebier erklärt sie, wie wichtig Ab­gren­zung ist – und das «Abstreifen» ihres Jobs.

Wenn sich der Alltag um den Tod dreht: Kathrin Gerlach im Gespräch über ihren nicht alltäglichen Job

Gerlachs grossen Ausgleich schöpft sie aus ihrer Familie. Wenn sie liest, vermeidet sie gewisse Inhalte, auch solche von Berufskollegen. Bild: Lea Meister

Es ist Sonntagabend, viele sitzen auf ihren Sofas und schauen sich den neusten «Tatort» im Fernsehen an. Wie immer stirbt jemand, wie immer sind Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner als erste am Ort des Geschehens.

Die Arbeit der Fachpersonen ist beeindruckend, ist sie doch so weit weg vom eigenen Alltag und hat dennoch etwas Anziehendes an sich. Ist es das Unbekannte? Das scheinbar Unmögliche? Das Furchteinflössende?

Kathrin Gerlach ist seit 2011 Leitende Ärztin am Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel. Sie ist Abteilungsleiterin für die  Forensische Medizin und die Verkehrsmedizin. Schreckliche Bilder gehören zu ihrem Alltag. Im Gegensatz zu uns «Tatort»-Fans, sieht sie diese aber in echt. Was macht das mit einem Menschen?

Historisches, Verbindungen zu einer Zunft und Feierlichkeiten

Im Fürobebier-Podcast spricht Gerlach über ihren Einstieg in den Beruf und darüber, wie man diesen nach Feierabend regelrecht abstreifen muss, um selber gesund zu bleiben.

Ursprünglich wollte sie in die Neonatologie – es zog sie also eher in den Bereich der Neuankömmlinge im Leben. Gelandet ist sie schliesslich im wohl gegensätzlichsten Bereich, den es in der Medizin gibt.

Und doch: Auch ihre Arbeit spielt sich nicht nur rund um Tote ab – «wir können von den Toten nämlich für die Lebenden lernen», sagt sie. Und nicht nur das: In ihrem Alltag kommt sie auch wirklich immer wieder mit  lebendigen Menschen in Kontakt, beispielsweise dann, wenn es darum geht, ob jemand seinen Führerschein abgeben muss.

Gerlach gibt zudem Einblick in die Geschichte der Basler Rechtsmedizin, zeigt auf, dass diese eng mit einer Zunft zusammenhängt und im laufenden Jahr auch noch ihr 100-jähriges Bestehen feiert.

Sind Menschen in der Rechtsmedizin zynisch?

Mühe bereiten Gerlach jeweils Todesfälle junger Menschen. «Jetzt hat sich diese Raupe soeben erst zum Schmetterling verwandelt und bevor sie losfliegen kann, stirbt sie», sagt sie. Entsprechend wichtig sei die eigene Psychohygiene und das gegenseitige aufeinander Acht geben im Team.

Eine interne Stelle, an die sich die Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner wenden können, wenn sie Hilfe bei der Verarbeitung des Arbeitsaltags benötigen, gibt es noch nicht. «Da sind wir aber dran», sagt Gerlach und betont, wie sehr ihr der Aufbau einer solchen Stelle am Herzen liegt.

Sind Menschen, die ihren gesamten Arbeitsalltag in der Rechtsmedizin verbringen, besonders zynisch? Oder werden sie in Filmen und Serien zu Unrecht so dargestellt? «Wir haben es heute gar nicht mehr nötig, so zu sein», sagt Gerlach. Viel wichtiger sei es, die wichtigen und für den Job nötigen Charaktereigenschaften mitzubringen – beispielsweise «Integrität, Stabilität und Verlässlichkeit».

Kathrin Gerlach erklärt zudem, weshalb sie keinen Fernseher besitzt und gewisse Literatur von Berufskollegen bewusst meidet. Einen Serientipp hat sie aber trotzdem im Gepäck...

Die kostenlose Prime News-App – jetzt herunterladen.

Lea Meister

Lea Meister

stv. Redaktionsleiterin

Mehr über die Autorin

Noch keine Kommentare

max. 800 Zeichen

Regeln

Ihre Meinung zu einem Artikel ist uns hochwillkommen. Bitte beachten Sie dazu die nachfolgenden Regeln: Bitte beziehen Sie sich bei Ihrem Kommentar auf das Thema des Beitrags und halten Sie sich an den Grundsatz, dass in der Kürze die Würze liegt. Wir behalten uns vor, Kommentare zu kürzen. Geben Sie Ihren Namen an und benutzen Sie keine Namen anderer Personen oder Fantasienamen – ansonsten sieht die Redaktion von einer Publikation ab. Wir werden ferner Kommentare nicht veröffentlichen, wenn deren Inhalte ehrverletzend, rassistisch, unsachlich oder in Mundart oder in einer Fremdsprache verfasst sind. Über diesbezügliche Entscheide wird keine Korrespondenz geführt oder Auskunft erteilt. Weiter weisen wir Sie darauf hin, dass Ihre Beiträge von Suchmaschinen wie Google erfasst werden können. Die Redaktion hat keine Möglichkeit, Ihre Kommentare aus dem Suchmaschinenindex zu entfernen.

     

 

 

 

     

 

 

 

     

 

 

 

     

 

 

 

Weitere Artikel

 zurück

Newsticker