Basel Nazifrei: Haben sich Gerichtspräsidenten abgesprochen?
Interne Unterlagen werfen brisante Fragen zu Urteilen auf: Diese bringen die Basler Justiz in Erklärungsnot.

Die Angelegenheit geht auf die sogenannten Basel Nazifrei-Prozesse zurück. Rund 40 Personen aus dem linksautonomen Milieu müssen oder mussten sich vor Gericht verantworten. Sie hatten im November 2018 bei einer unbewilligten Demo gegen eine Kundgebung der rechtsextremen PNOS auf dem Messeplatz teilgenommen. Mehrere der Angeklagten waren zu unbedingten Freiheitsstrafen verurteilt worden. Die Urteile hatten zu landesweiten Schlagzeilen geführt.
Verteidiger hatten beim Appellationsgerichts den Antrag gestellt, ein ausserkantonales Strafgericht solle die Fälle beurteilen. Es liege eine institutionelle Befangenheit vor.
Anlass war ein Zeitungsinterview mit der Basler Zeitung, das Gerichtspräsident René Ernst (SP) im September 2020 nach einem Urteil gegeben hatte. Nach dem Medienbericht könnten die anderen Richterinnen und Richter nicht mehr unbefangen urteilen, kritisierten die Verteidiger.
Kaffeepausen-Talks oder Sitzungen mit Protokollen?
Ferner gelangten interne Mails auf, die den Schluss zuliessen, dass sich die Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten im Vorfeld der Verhandlungen abgesprochen hätten. Die Streitfrage landete sogar vor Bundesgericht.
Nun tauchten diese Woche «überraschende Dokumente» auf, welche die bz Basel publik macht: Im Rahmen seiner Befragung reichte René Ernst zwei Protokolle einer Sitzung vom 31. August 2020 ein, mit dem Titel «Interner Meinungsaustausch». Teilgenommen haben sechs Präsidentinnen und Präsidenten des Basler Strafgerichts.
Bisher sei immer die Rede von einem informellen Austausch bei der Kaffeepause über grundsätzliche strafrechtliche Fragen gewesen. Im Sitzungsprotokoll sei nun hingegen deutlich die Rede von «Beschlüssen» – welche jedoch jeweils in Anführungs- und Schlusszeichen geschrieben sind.
Weitreichende Auswirkungen
Dabei seien juristische Beurteilungsfragen verhandelt worden, etwa wie mit einer Mitläuferin zu verfahren sei. Die bz zitiert Rechtswissenschaftler Markus Schefer: «Falls diese Beschlüsse den Zweck haben sollten, über Materien zu beschliessen, die Gegenstand der Hauptverhandlungen sind, wären sie nicht zulässig».
Falls das Appellationsgericht der Argumentation der Verteidigung folgen würde, hätte dies weitreichende Auswirkungen.
Denn: Der Grossteil der Basel Nazifrei-Prozesse fand nach der nun bekannt gewordenen Sitzung statt. Und könnte somit auch den Grossteil der noch nicht rechtskräftigen Urteile betreffen, da sie von den Befangenheits-Vorwürfen tangiert und laut BaZ «wohl überprüft werden» müssten.
Strafgerichtspräsident René Ernst hält auf Anfrage der bz Basel fest, die meisten Gespräche über die Prozessreihe hätten effektiv in den Kaffeepausen stattgefunden, und es sei um organisatorische und technische Angelegenheiten gegangen. Die BaZ schätzt: Sollte das Appellationsgericht kommende Woche ebenfalls zu dieser Einschätzung kommen, wären die Folgen eines rechtskräftigen Urteils massiv. (cb)
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