03.01.2024 Unser Gwärb 9 minMinuten Lesedauer

«80 Prozent unserer Projekte sind Sieger­projekte»

Marco Wald­hauser über sein Ingenieur­büro, unsinnige Büro­kratie, die sieben In­haber der AG und den Fokus Klima­schutz.

Über diese Rubrik

In «Unser Gwärb» stellen wir in regelmässigem Abstand Menschen aus der Region vor, die den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt haben oder unternehmerisch tätig sind.

Marco Waldhauser (49). Bild: Nils Hinden

Beschreiben Sie ihr Unter­nehmen in wenigen Sätzen.

Marco Waldhauser: Wir sind ein Ingenieur- und Planungsbüro für Gebäudetechnik. Zu unserem Angebot zählen unter anderem die Planung von Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Kältesystemen. Ebenfalls planen wir die Gebäudeautomation und Energiezentralen sowie energetische Betriebsoptimierungen und beraten Unternehmen in Energie- und Nachhaltigkeitsfragen.

Wie ist die Waldhauser + Hermann AG entstanden?

Wir führen das Unternehmen nun zu dritt in zweiter Generation. Aber von vorne: Die Firma wurde im Jahr 1973 von meinem Vater gegründet. Ich bin dann 2003 in das Familienunternehmen eingestiegen. Davor hatte ich vier Jahre in einem deutlich grösseren Ingenieurbüro in Finnland Erfahrungen gesammelt. Schliesslich haben mein Geschäftspartner Roman Hermann und ich den Betrieb im Jahr 2008 komplett von meinem Vater übernommen. In der Folge hatten wir die damalige «Waldhauser Haustechnik AG» in «Waldhauser + Hermann AG» umbenannt. Später stiess auch mein Bruder Stefan als Mitinhaber und Geschäftsleitungsmitglied dazu.

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Was hat sich seither verändert?

Über die Jahre haben wir unsere Dienstleistungen erweitert. Angebote im Bereich der Betriebsoptimierung und Gebäudeautomation sind dazugekommen. Zudem sind wir gewachsen. Als wir die Firma übernahmen, bestand das Team aus 28 Mitarbeitern – jetzt sind es 55. Anlässlich unseres 50-Jahr-Jubiläums haben wir einen ganz entscheidenden Schritt für die Zukunft des Unternehmens gemacht.

Der wäre?

Wir haben den Kreis der Eigentümer von drei auf sieben gleichberechtigte Inhaber erweitert, die allesamt schon länger für die Firma arbeiten. Gleichzeitig haben wir verbindlich festgelegt, dass hier nur Mitarbeiter auch Inhaber sein können. Wer aus der Firma austritt, muss seine Anteile abgeben. Damit wollen wir sicherstellen, dass die Firma eigenständig bleibt und nicht an Externe verkauft wird. Ausserdem können wir mit dieser Änderung das Klumpenrisiko reduzieren. Künftig fällt es weniger ins Gewicht, wenn ein Inhaber die Firma verlässt. Und zu guter Letzt können wir unseren Mitarbeitern neu auch die Perspektive geben, sich dereinst selbst am Unternehmen zu beteiligen.

Die Mitinhaber und Partner der Waldhauser + Hermann AG auf einem Bild. Bild: zVg

Selbstständig zu sein. Was bedeutet Ihnen das?

Alles (lacht)! Wir leben davon, dass wir schnell und selbstständig entscheiden können. Wir können ohne Druck von aussen unseren eigenen Weg gehen: Beispielsweise haben wir die Freiheit, auch einmal aus ideellen Gründen gegen die Wirtschaftlichkeit zu entscheiden. Für mich ist das eine Frage der Grundhaltung.

Was ist die beste Entscheidung, die Sie je getroffen haben?

Dass wir selbstständig geblieben sind. Wir haben in den letzten Jahren mehrere verlockende Kaufangebote erhalten. Trotzdem waren entsprechende Telefongespräche jeweils nach ein paar Minuten vorbei, weil wir gar nicht mehr darüber erfahren wollten. Nur einmal wurde es konkreter. Rückblickend bin ich überaus froh, dass wir damals keine Anteile verkauft haben.

Wo mussten Sie Lehrgeld zahlen?

Immer wieder. Ein Beispiel: In Finnland war die Digitalisierung vor 25 Jahren schon relativ weit fortgeschritten, in der Schweiz war sie zur gleichen Zeit aber noch kaum ein Thema. Als ich zurückkam, wollte ich einen Teil davon mitbringen und die Firma entsprechend umfassend digitalisieren. Aber wir haben unterschätzt, was alles damit einhergeht. Wir wollten in der Digitalisierung grössere Schritte machen, als letztendlich möglich waren.

Wo lagen die Herausforderungen?

Während die Digitalisierung in der Administration noch vergleichsweise einfach ist, wurde es im Baubereich schon schwieriger. Auf dem Bau ist jedes Projekt einmalig und es passiert nicht selten Unerwartetes. Prozesse lassen sich so schwieriger digitalisieren und automatisieren.

«Dass es Regeln braucht, ist unbestritten. Doch es gibt viele Bereiche, wo Freiräume geschaffen werden könnten.»

Marco Waldhauser

Was schätzen Sie an der Region?

Die Vielfalt. Ich bin hier in der Region aufgewachsen und schätze die Offenheit von Basel sehr. Die Nähe zur Grenze trägt sicherlich dazu bei.

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik freihätten, wie würde dieser lauten?

Dass die Politik offen ist für Innovation und Neues – und es auch bleibt. Ausserdem wünsche ich mir, dass sie wo möglich Freiräume schafft. Leider ist bisweilen das Gegenteil der Fall und es kommen immer mehr regulatorische Hürden dazu. Das macht Abläufe schwieriger, ineffizienter und teilweise gar unsinniger. Auch das ist eine Frage der Grundhaltung.

Also soll sich der Staat stärker zurückhalten?

Dass es Regeln braucht, ist unbestritten. Doch es gibt viele Bereiche, wo Freiräume geschaffen werden könnten. Das bedeutet Normen und Regeln auch wieder einmal zu streichen. Bedauerlicherweise wird das zu wenig gemacht. Im Gegenteil: Wenn Regeln überarbeitet werden, resultieren daraus oft noch mehr und komplexere Vorschriften. Ein Beispiel sind die Baunormen. Hier wird der Vorschriften-Stapel dicker und nicht dünner. Das alles kann zum Innovationskiller werden.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Ja. Vor rund 15 Jahren wurden hierzulande Energielabel enorm populär. Ich denke insbesondere an das Label für nachhaltiges Bauen: «Minergie». Verstehen Sie mich nicht falsch: Minergie hat einen grossen Verdienst erbracht. Auch dank des Labels ist das Bewusstsein für Energiefragen in den Köpfen der Bevölkerung angekommen. Andererseits haben uns Labels wie Minergie stark eingeschränkt. Sie definieren ganz klar und eng, welche Kriterien ein Minergie-zertifiziertes Haus erfüllen und wie es gebaut werden muss.

Was ist die Folge?

Wir haben zu wenig neue Pfade beschritten, weil der Weg schon vorgegeben war. Die direkte Folge ist, dass es nun an Innovation mangelt. Für mich ist klar: Rückblickend war das eine grosse Einschränkung und mit ein Grund, warum wir in der Klimafrage noch nicht weiter sind. Sei dies auf der technischen oder auch konzeptionellen Ebene.

Sticht ins Auge: Eine Treppe im Herz der Waldhauser + Hermann AG in Münchenstein. Bild: Nils Hinden

Was zeichnet gutes Unternehmertum aus?

Wenn die Mitarbeiter die Unternehmensführung stark spüren. Das heisst, dass sie wissen, wofür sie arbeiten und für welche Grundwerte ihr Arbeitgeber steht.

«80 Prozent unserer Projekte sind Siegerprojekte.»

Marco Waldhauser

Die Waldhauser + Hermann AG war an zahlreichen grossen Bau­projekten beteiligt, darunter etwa die Fondation Beyeler, der Globus-Neubau am Marktplatz oder der Helvetia Campus. Wie erhält man solche Mega-Aufträge?

Wir haben das Glück, dass Projektwettbewerbe hierzulande stark verbreitet sind. Öffentliche oder private Institutionen, die ein neues Gebäude planen, schreiben für die Vergabe in aller Regel einen Wettbewerb aus. Das heisst, dass eine Jury schlussendlich das beste Projekt aus den eingereichten Konzepten auswählt. Wir haben uns auf solche Wettbewerbe spezialisiert. 80 Prozent unserer Projekte sind Siegerprojekte. Ausserdem haben wir uns auf die Fahne geschrieben, mit Qualität zu überzeugen und nicht einfach mit dem günstigsten Preis. Zugegebenermassen kann es auch ein Pluspunkt sein, wenn man bereits erfolgreiche Projekte in guter Qualität abgeschlossen hat. Deshalb: keine Regel ohne Ausnahme; die drei von Ihnen genannten Projekte haben wir nicht über Projektwettbewerbe erhalten.

Was unterscheidet Euch von Euren Konkurrenten?

Das klingt jetzt vielleicht etwas speziell: Als Techniker sind wir entschieden dafür, die eingesetzte Technik möglichst einfach zu halten und, wenn möglich, sogar ganz darauf zu verzichten. Damit wir das umsetzen können, ist es unabdingbar, dass wir von Beginn in die Gebäudeplanung einbezogen werden. Das ist leider nicht immer selbstverständlich. Ich glaube, dieser konzeptionelle Ansatz ist ziemlich eigen.

Auffällig ist, dass Sie sich in diversen Verbänden engagieren. Zum Beispiel als Vizepräsident des schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA. Was erhoffen Sie sich davon?

Unser Berufsstand steht vor diversen Herausforderungen, die einer gemeinsamen Lösung bedürfen. Zum Beispiel haben wir einen Nachwuchsmangel. Ausserdem war es mir stets wichtig, dass Architekten und Ingenieure sich auf Augenhöhe über das Bauen austauschen. Das ist leider nicht immer der Fall. Ein weiterer drängender Punkt sind die Klimafragen. Mit der Erderwärmung gehen Herausforderungen einher, denen wir uns stellen müssen. Ausserdem ist mir die Digitalisierung ein wichtiges Anliegen: Darum engagiere ich mich auch als Gründungs- und Vorstandsmitglied von «Bauen digital Schweiz».

Stichwort Klima. Sie haben sich öffentlich für das Klimaschutzgesetz ausgesprochen.

Im Klimaschutz stehen wir vor grossen Hürden. Um diese zu meistern, hat es das Klimaschutzgesetz gebraucht. Im Energiebereich können wir Ingenieure viel beitragen. Heute ist fast die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs in der Schweiz auf den Unterhalt von Gebäuden zurückzuführen – wovon wiederum 40 Prozent auf die Gebäudetechnik entfallen. Bedauerlicherweise ist die Klimabewegung etwas abgeflacht.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie scheint Ihnen ebenfalls ein Anliegen zu sein. Dazu haben Sie sich auch bereits öffentlich geäussert.

Ja, das ist auch meiner Zeit in Finnland geschuldet. Im Norden steht die Familie viel mehr im Zentrum als bei uns – auch politisch. Mir war es seit jeher ein Anliegen, eine familienfreundliche Kultur in unserem Unternehmen zu schaffen. Wir drei Geschäftsführer sind selbst junge Väter. Das Ja vom Stimmvolk zum zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub war ein Meilenstein. Als Unternehmen haben wir übrigens bereits vor 14 Jahren einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub eingeführt und diesen mittlerweile auf 4 Wochen erhöht.

Braucht es also doch staatliche Vorgaben?

Leider zeigt die Vergangenheit, dass es in gewissen Bereichen nicht ohne Vorgaben geht. Mir ist klar: Das steht in einer gewissen Weise im Widerspruch mit meiner Aussage, wonach es mehr Freiräume braucht. Aber manchmal sollten wir als Gesellschaft Pflöcke einschlagen. Nötig ist das zum Beispiel beim Thema Klima. Logischerweise ist es aber immer schöner, wenn es ohne Regeln geht.

Das «Team Waldhauser» von oben. Bild: zVg

Was kann die Baubranche noch tun, damit die Schweiz ihre Klimaziele erreicht?

Ein Punkt ist sicher, dass wir wieder ein Stück weit lernen zu verzichten. Das heisst für uns, dass wir in Zukunft einfacher, effizienter und mit bewussteren Materialeinsätzen bauen. Zwar entwickeln Ingenieure heutzutage intelligente und effiziente Pläne für den Gebäudeunterhalt. Doch in 90 Prozent der Fälle läuft es beim Betrieb schlussendlich nicht nach Plan. Auch deshalb braucht es einfache, robuste und effiziente Lösungen.

Muss man dafür wirtschaftlich Abstriche machen?

In einer Zwischenphase ist das durchaus möglich. Es ist wie bei der Digitalisierung. Es braucht innovative Köpfe, die die ersten Schritte machen. Die Frage ist, wer dazu bereit ist. Denn Innovation kostet Geld. Und wer neue Wege geht, läuft Gefahr, sich zu verirren.

Themawechsel. Ist es schwieriger geworden, gute Lehrlinge zu finden?

Schwierig zu sagen. Zum Glück hatten wir in den letzten Jahren immer genug Bewerbungen. So sind bei uns zurzeit immer fünf bis sieben Lehrplätze besetzt. Ich würde behaupten, dass all unsere Lehrlinge gut sind. Aber klar: Wir können nie ganz voraussagen, wie sich junge Menschen entwickeln. Wir hatten auch schon Lehrabbrüche, weil wir erkannten, dass der Beruf nicht zu unserem Lehrling passte. Aber das kennen andere Betriebe auch.

Was bedeutet Ihnen der Nachwuchs?

Alles.

Erklären Sie.

In den letzten Jahren haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass die beste Grundlage für eine sichere Zukunft der Firma darin besteht, die Menschen selbst auszubilden. Klar ist: Ehemalige Lehrlinge können wir am besten ins Unternehmen integrieren. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Wenn unsere Lehrlinge studieren oder in anderen Unternehmen Erfahrungen sammeln möchten, ermöglichen wir Ihnen das gerne.

Spüren Sie den Fachkräftemangel?

Ja, sehr stark. Auch wenn Basels geografische Lage den Fachkräftemangel wohl etwas abschwächt. Als grenznahes Unternehmen erhalten wir viele Bewerbungen aus dem süddeutschen Raum. Aber klar: Der Fachkräftemangel ist über alle Bereiche hinweg sehr akut und es wird nicht besser. Als Unternehmer beängstigen mich die Zahlen und Prognosen in diesem Zusammenhang schon. Wir haben aber gelernt, damit umzugehen. Denn ganz neu ist die Situation nicht. Schon seit Jahren sind die Fachkräfte knapp. Das war schon so, als mein Vater noch Chef war.

Ihr letztes Wort?

Hoffentlich konnte ich Unternehmer mit diesem Interview ein wenig darin bestärken, selbstständig zu bleiben und mutig zu handeln. Das wäre schön.

Das Münchensteiner Familien-Ingenieurbüro im Wandel

Waldhauser + Hermann AG

Firmengründung: 1973
Anzahl Angestellte: rund 55 Mitarbeiter.

Adresse
Ingenieurbüro Usic/sia, Florenz-Strasse 1d, 4142 Münchenstein

Kontakt
Tel: 061 336 94 94
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Nils Hinden

Nils Hinden

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