Kündigung trotz Krankheit: Wann ist das möglich?
Das Bundesgericht hat ein wegweisendes Urteil zur arbeitsplatzbogenen Arbeitsunfähigkeit gefällt. Das sind die Hintergründe.
Kürzlich war in den Zeitungen zu lesen, dass seit einem neuen Urteil des Bundesgerichts einem Angestellten trotz Krankheit gekündigt werden kann. Was hat es damit auf sich?
Grundsätzlich ist zu betonen, dass sich die Möglichkeit, einem Angestellten trotz Krankheit und vor Ablauf der Sperrfrist zu kündigen, nur auf eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit bezieht. Bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit ist der Angestellte lediglich in Bezug auf die konkrete Arbeitsstelle arbeitsunfähig. An einem anderen Ort wäre er einsatzfähig und auch in seiner privaten Lebensgestaltung ist er nicht oder kaum eingeschränkt. In allen übrigen Fällen, in denen ein Angestellter wegen Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig ist, kommen die Sperrfristen – das sind die Fristen, währenddessen nicht gekündigt werden kann – wie gehabt zur Anwendung.
Können Sie kurz erläutern, was Sperrfristen genau sind?
Die Kündigung zur Unzeit oder eben Sperrfristen sind die gesetzlichen Fristen, während denen die Arbeitgeberin ein Arbeitsverhältnis bei Arbeitsunfähigkeit des Angestellten nicht kündigen kann. Diese Fristen richten sich nach dem Dienstalter und betragen während dem ersten Dienstjahr 30 Tage, vom zweiten bis zum fünften Dienstjahr 90 Tage und ab dem sechsten Dienstjahr 180 Tage. Wenn ein Angestellter, der schon lange an demselben Ort arbeitet, also zum Beispiel einen schweren Unfall hat, darf ihm die Arbeitgeberin während einem halben Jahr nach wie vor nicht kündigen. Danach könnte die Kündigung ausgesprochen werden, auch wenn der Angestellte weiterhin arbeitsunfähig ist.
Was ändert denn dieses Urteil in der Praxis?
Nicht viel. Die herrschende Lehre wie auch die kantonale Rechtsprechung in der Deutschschweiz gingen schon seit längerem davon aus, dass die Sperrfristen bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit nicht zur Anwendung kommen. Das Gesetz will mit den Sperrfristen den Angestellten während einer bestimmten Zeit vor dem Verlust der Stelle schützen, in der er in der Regel keine Chance bei der Stellensuche hat und von einem Arbeitgeber in Kenntnis der Arbeitsverhinderung nicht angestellt würde.
Bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfährigkeit gilt das nicht?
Wenn der Angestellte nur bei einer bestimmten Arbeitsstelle nicht einsatzfähig ist, aber eine andere Stelle antreten könnte, ist er auf diesen Schutz nicht angewiesen. Dementsprechend ist man in der Lehre und der Praxis schon länger davon ausgegangen, dass eine Kündigung bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit gültig ist. Mit diesem höchstrichterlichen Urteil wurden nur die letzten Zweifel aus dem Weg geräumt.
Können Sie ein konkretes Beispiel einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit nennen? Und was sind die häufigsten Ursachen dafür?
Eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit liegt häufig aufgrund einer psychischen Belastungssituation am Arbeitsplatz vor, etwa im Fall von Mobbing oder aufgrund eines Konflikts. Dazu muss aber gesagt werden, dass die Arbeitgeberin gegenüber ihren Angestellten eine Fürsorgepflicht hat und verpflichtet ist, Mobbing zu verhindern und zwischen den Parteien zu schlichten, indem sie angemessene Massnahmen ergreift. Diese können beispielsweise darin bestehen, das Gespräch zu suchen und zu vermitteln, Personen zu versetzen oder eine Sozialberatung beizuziehen.
Was, wenn der Arbeitgeber diese Schritte unterlässt?
Wenn jemand also zum Beispiel infolge Mobbings arbeitsunfähig wird, der Arbeitgeber davon Kenntnis hatte, aber keine Massnahmen ergriffen hat, könnte die Kündigung von einem Gericht als missbräuchlich eingestuft und der Partei eine Entschädigung zugesprochen werden. Es sind allerdings auch physische Ursachen für eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit denkbar, so etwa die allergische Reaktion einer Coiffeuse auf ein Produkt, welches genau in diesem Salon verwendet wird.
Von wem wird denn eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit festgestellt?
Festgestellt wird eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vom behandelnden Arzt oder von einem Vertrauensarzt. Wenn die Arbeitgeberin den konkreten Verdacht hat, dass es sich um eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit handeln könnte, empfiehlt es sich, diese Frage dem behandelnden Arzt oder dem Vertrauensarzt zu stellen und das Ergebnis protokollieren zu lassen.
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