Wie stark dürfen Firmen ihre Angestellten überwachen?
Der Arbeitgeberverband Region Basel beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen zu diesem sensiblen Thema.
Darf der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die Arbeit und das Verhalten der Angestellten überwachen?
Der Arbeitgeber hat die Geheim- und Privatsphäre der Angestellten zu wahren und schützen. Das Gesetz sieht vor, dass Überwachungs- und Kontrollsysteme, welche das Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin am Arbeitsplatz überwachen, unzulässig sind. Hingegen ist eine auf rein technische oder sachliche Kriterien begrenzte Kontrolle ohne Bezug zur Person des Arbeitnehmers – zum Beispiel zur Sicherheits-, Qualitäts- oder Leistungskontrolle – ohne Einschränkung zulässig.
Was bedeutet das konkret?
Eine Videoüberwachung von Arbeitsplätzen ist beispielsweise zulässig, wenn sie aus Sicherheitsgründen erforderlich, verhältnismässig und nicht weiter geht als zur Erreichung des zulässigen Zwecks notwendig ist. So darf zum Beispiel der Tresorraum oder ein Kassenbereich permanent überwacht werden, nicht aber eine bestimmte Person. Sich ständig beobachtet zu fühlen, kann Stress auslösen und gesundheitsgefährdend sein. Die Daten dürfen nur in Ausnahmefällen bezogen und auf den einzelnen Arbeitnehmer bearbeitet werden – so beispielsweise, wenn eine Häufung von Mitarbeiterdiebstählen vorliegt. Dabei darf aber nicht auch die Dauer der Pausen des Personals oder ähnliches überprüft werden.
Und wenn der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin einen Arbeitnehmer des Diebstahls verdächtigt, heimlich eine Kamera aufstellt und sich der Verdacht bestätigt?
Geheimes Filmen ist grundsätzlich verboten. Solches Videomaterial wäre in einem Verfahren nicht als Beweismittel verwertbar. Das bedeutet, dass im dümmsten Fall das Video, das einen Arbeitnehmer tatsächlich beim Diebstahl erwischt und zur fristlosen Kündigung geführt hat, vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen wird. Damit ist die Kündigungsgrundlage beseitigt und die Kündigung folglich ungerechtfertigt.
Gerade wenn die Angestellten im Home-Office arbeiten, ist sehr viel Vertrauen seitens des Vorgesetzen erforderlich. Was darf der Arbeitgeber machen, wenn er den Verdacht hat, dass ein Angestellter nur im Internet surft oder Netflix schaut? Können in einem solchen Fall die Internetaktivitäten der Angestellten überwacht werden?
Nein, grundsätzlich nicht. Im Fall der Computerüberwachung kann gesagt werden, dass der Arbeitgeber zuerst zu milderen Mitteln greifen muss, beispielsweise indem bestimmte Webseiten präventiv gesperrt werden.
Wie soll der Arbeigeber vorgehen, wenn er einen konkreten Verdacht hat, dass der Angestellte während der Arbeit zum Beispiel auf Pornoseiten surft? Darf dies überprüft werden?
Wir empfehlen in diesem Fall ein Internet-Nutzungsreglement auszuarbeiten, worin geregelt wird, dass der Arbeitgeber eine nichtpersonen-bezogene Überwachung zur Erstellung von Statistiken und zur Kontrolle der Einhaltung des Nutzungsreglements vornehmen darf. Diese Daten dürfen aber nur anonymisiert ausgewertet werden, das heisst, es dürfen keine Personen identifiziert werden. Nur wenn in dieser Phase ein Missbrauch, sprich ein Verstoss gegen das Nutzungsreglement festgestellt wird, darf eine personenbezogene, punktuelle Auswertung der Logfiles durchgeführt werden.
Wie lautet der Grundsatz bei diesem heiklen Thema?
Generell kann gesagt werden, dass das personenbezogene Ausspionieren des Arbeitnehmers verboten ist, respektive nur unter solchen speziellen Bedingungen erlaubt ist und der Arbeitgeber die Angestellten über den Einsatz von Überwachungssystemen vorgängig informieren muss.
Dürfen GPS-Tracker in den Fahrzeugen des Arbeitgebers montiert werden?
Die GPS-Überwachung ist laut Bundesgericht nicht a priori verboten. Es gelten die bereits genannten Grundsätze: Der Arbeitgeber darf die GPS-Überwachung nur einführen, wenn sie notwendig ist, er ein berechtigtes Interesse an der GPS-Überwachung hat und sie verhältnismässig ist. Die Überwachung sollte so gut eingegrenzt werden wie möglich. Beispielsweise indem die Überwachungsdaten erst nachträglich ausgewertet werden, nur für Stichproben genutzt oder zum Diebstahlschutz nachts eingesetzt werden. Zudem müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Überwachung informiert werden. Eine Echtzeitüberwachung geht grundsätzlich zu weit.
Wie verhält es sich mit einem Geschäftstelefon oder einem Geschäftshandy, das grundsätzlich nur für geschäftliche Zwecke benutzt werden darf? Ist es erlaubt, die Telefonate seiner Angestellten zu überwachen?
Ein gezieltes Abhören geschäftlicher Telefonate zur Qualitäts- und Leistungskontrolle und für Ausbildungszwecke ist unter obengenannten Voraussetzungen – Notwendigkeit, berechtigtes Interesse und Verhältnismässigkeit – erlaubt. Der Arbeitgeber ist nicht befugt, private Telefongespräche abzuhören. Eine unbefugte Abhörung stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar und kann strafrechtlich verfolgt werden.
Und wie sieht es mit den sonstigen Daten des Geschäftshandys aus? Darf der Arbeitgeber die Daten nach der Rückgabe des Smartphones auswerten?
Der Arbeitgeber hat die Geheim- und Privatsphäre des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Es ist dem Arbeitgeber folglich nicht erlaubt, sämtliche Inhalte eines Geschäftshandys zu durchforsten und auszuwerten. Auch nicht, wenn die private Nutzung des Handys verboten war. Das hat das Bundesgericht im August 2021 entschieden. Im genannten Fall hatte der Arbeitgeber das Geschäftshandy nach Beweisen für das anstehende Verfahren durchsucht und dabei auch private Whatsapp-Chatnachrichten gelesen. Das war ein grober, rechtswidriger Eingriff in die Persönlichkeit des Arbeitnehmers.
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