12.06.2024 Ratgeber 5 minMinuten Lesedauer

Wie stark dürfen Firmen ihre Angestellten über­wachen?

Der Arbeitgeber­verband Region Basel beantwortet im Inter­view die wichtigsten Fragen zu diesem sensiblen Thema.

von Prime Content

Darf der Arbeitgeber oder die Arbeit­geberin die Arbeit und das Verhalten der Ange­stellten über­wachen?

Der Arbeitgeber hat die Geheim- und Privatsphäre der Angestellten zu wahren und schützen. Das Gesetz sieht vor, dass Überwachungs- und Kontrollsysteme, welche das Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin am Arbeitsplatz überwachen, unzulässig sind. Hingegen ist eine auf rein technische oder sachliche Kriterien begrenzte Kontrolle ohne Bezug zur Person des Arbeitnehmers – zum Beispiel zur Sicherheits-, Qualitäts- oder Leistungskontrolle – ohne Einschränkung zulässig.

Was bedeutet das konkret?

Eine Videoüberwachung von Arbeitsplätzen ist beispielsweise zulässig, wenn sie aus Sicherheitsgründen erforderlich, verhältnismässig und nicht weiter geht als zur Erreichung des zulässigen Zwecks notwendig ist. So darf zum Beispiel der Tresorraum oder ein Kassenbereich permanent überwacht werden, nicht aber eine bestimmte Person. Sich ständig beobachtet zu fühlen, kann Stress auslösen und gesundheitsgefährdend sein. Die Daten dürfen nur in Ausnahmefällen bezogen und auf den einzelnen Arbeitnehmer bearbeitet werden – so beispielsweise, wenn eine Häufung von Mitarbeiterdiebstählen vorliegt. Dabei darf aber nicht auch die Dauer der Pausen des Personals oder ähnliches überprüft werden.

Und wenn der Arbeit­geber oder die Arbeit­geberin einen Arbeit­nehmer des Dieb­stahls ver­dächtigt, heimlich eine Kamera aufstellt und sich der Ver­dacht bestätigt?

Geheimes Filmen ist grundsätzlich verboten. Solches Videomaterial wäre in einem Verfahren nicht als Beweismittel verwertbar. Das bedeutet, dass im dümmsten Fall das Video, das einen Arbeitnehmer tatsächlich beim Diebstahl erwischt und zur fristlosen Kündigung geführt hat, vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen wird. Damit ist die Kündigungsgrundlage beseitigt und die Kündigung folglich ungerechtfertigt.

Gerade wenn die Ange­stellten im Home-Office arbeiten, ist sehr viel Ver­trauen seitens des Vorge­setzen erforderlich. Was darf der Arbeit­geber machen, wenn er den Ver­dacht hat, dass ein Ange­stellter nur im Internet surft oder Netflix schaut? Können in einem solchen Fall die Internet­aktivitäten der Angestellten über­wacht werden?

Nein, grundsätzlich nicht. Im Fall der Computerüberwachung kann gesagt werden, dass der Arbeitgeber zuerst zu milderen Mitteln greifen muss, beispielsweise indem bestimmte Webseiten präventiv gesperrt werden.

Wie soll der Arbeigeber vor­gehen, wenn er einen konkreten Verdacht hat, dass der Angestellte während der Arbeit zum Beispiel auf Porno­seiten surft? Darf dies über­prüft werden?

Wir empfehlen in diesem Fall ein Internet-Nutzungsreglement auszuarbeiten, worin geregelt wird, dass der Arbeitgeber eine nichtpersonen-bezogene Überwachung zur Erstellung von Statistiken und zur Kontrolle der Einhaltung des Nutzungsreglements vornehmen darf. Diese Daten dürfen aber nur anonymisiert ausgewertet werden, das heisst, es dürfen keine Personen identifiziert werden. Nur wenn in dieser Phase ein Missbrauch, sprich ein Verstoss gegen das Nutzungsreglement festgestellt wird, darf eine personenbezogene, punktuelle Auswertung der Logfiles durchgeführt werden.

Wie lautet der Grund­satz bei diesem heiklen Thema?

Generell kann gesagt werden, dass das personenbezogene Ausspionieren des Arbeitnehmers verboten ist, respektive nur unter solchen speziellen Bedingungen erlaubt ist und der Arbeitgeber die Angestellten über den Einsatz von Überwachungssystemen vorgängig informieren muss.

Dürfen GPS-Tracker in den Fahr­zeugen des Arbeit­gebers montiert werden?

Die GPS-Überwachung ist laut Bundesgericht nicht a priori verboten. Es gelten die bereits genannten Grundsätze: Der Arbeitgeber darf die GPS-Überwachung nur einführen, wenn sie notwendig ist, er ein berechtigtes Interesse an der GPS-Überwachung hat und sie verhältnismässig ist. Die Überwachung sollte so gut eingegrenzt werden wie möglich. Beispielsweise indem die Überwachungsdaten erst nachträglich ausgewertet werden, nur für Stichproben genutzt oder zum Diebstahlschutz nachts eingesetzt werden. Zudem müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Überwachung informiert werden. Eine Echtzeitüberwachung geht grundsätzlich zu weit.

Wie verhält es sich mit einem Geschäfts­telefon oder einem Geschäfts­handy, das grund­sätzlich nur für geschäftliche Zwecke benutzt werden darf? Ist es erlaubt, die Telefonate seiner Ange­stellten zu über­wachen?

Ein gezieltes Abhören geschäftlicher Telefonate zur Qualitäts- und Leistungskontrolle und für Ausbildungszwecke ist unter obengenannten Voraussetzungen – Notwendigkeit, berechtigtes Interesse und Verhältnismässigkeit – erlaubt. Der Arbeitgeber ist nicht befugt, private Telefongespräche abzuhören. Eine unbefugte Abhörung stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar und kann strafrechtlich verfolgt werden.

Und wie sieht es mit den sonstigen Daten des Geschäfts­handys aus? Darf der Arbeit­geber die Daten nach der Rück­gabe des Smart­phones auswerten?

Der Arbeitgeber hat die Geheim- und Privatsphäre des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Es ist dem Arbeitgeber folglich nicht erlaubt, sämtliche Inhalte eines Geschäftshandys zu durchforsten und auszuwerten. Auch nicht, wenn die private Nutzung des Handys verboten war. Das hat das Bundesgericht im August 2021 entschieden. Im genannten Fall hatte der Arbeitgeber das Geschäftshandy nach Beweisen für das anstehende Verfahren durchsucht und dabei auch private Whatsapp-Chatnachrichten gelesen. Das war ein grober, rechtswidriger Eingriff in die Persönlichkeit des Arbeitnehmers.

Arbeitgeberverband Region Basel

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https://www.arbeitgeberbasel.ch

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